Wettbewerb Schinkelpreis 2017
Teamarbeit mit Dietmar Hahn
Karlsruher Institut für Technologie
Reclaiming Westkreuz
Städtebauliches Konzept:
Das zu behandelnde Gebiet am westlichen Stadteingang zu Berlin wird auf östlicher Seite von den Stadtgebieten Charlottenburg und Wilmersdorf und auf nordöstlicher bis östlicher Seite vom Berliner Messegelände und dem suburban Wohngebiet Halensee eingegrenzt. Diese Gebiete weisen inselartige Charakteristika auf, da sie unabhängig voneinander funktionieren und nur eine geringe, bis nicht vorhandene Vernetzung untereinander aufweisen. Dies hat zur Folge, dass das zu behandelnde Areal selbst zu einer Insel wird, die aber aufgrund ihrer zergliederten Struktur nicht funktioniert. Ein Hauptgrund hierfür sind die starken, infrastrukturellen Zäsuren (Autobahnen, Bahntrassen). Sie zerstückeln das Gebiet, isolieren dessen Flächen voneinander und bilden Barrieren. Dadurch können die großflächigen Potenziale des Gebiets nur wenig bis gar nicht realisiert werden. Die Nutzungen auf dem Gebiet beschränken sich auf kleinere Aktivitäten, wie Hostel und Motel oder ineffizient genutzten Flächen, wie dem Parkplatzgebiet am Avus-Gelände oder den öffentlich nicht zugänglichen Kleingärten am östlichen Stadtrand. Des Weiteren gibt es diverse Brachflächen, die teilweise komplett nicht erreichbar sind. Unter den fehlenden Attraktoren und geringen Aktivität leidet auch der denkmalgeschützte Bahnhof Westkreuz, der zur Zeit als reiner Transit- bzw. Umstiegsbahnhof fungiert. Um das Areal als Gesamtgebilde zu aktivieren und es aufgrund seiner Position im urbanen Kontext als
westlichen Stadteingang zu manifestieren, müssen dessen Gebiete untereinander erreichbar gemacht und miteinander verknüpft werden. Außerdem muss das Areal, sowohl infrastrukturell, als auch nutzungstechnisch mit der Stadt verknüpft werden. Dazu sollten Attraktoren geschaffen werden, und sinnvolle, bereits bestehende Anknüpfungspunkte gefunden oder neue geschaffen werden. Ausgangspunkte am Ort sind der von der A 100 erreichbare AVUS Parkplatz und die an den Stadtrand grenzende Kleingartenanlage.
Die Avusplatte dient mit seinen bestehenden Strukturen als Zugangsort für den Autoverkehr, während nach einer Öffnung der Kleingärten ein Zugang von der Stadtseite aus geschaffen werden kann. Um eine Verbindung dieser Hauptgebiete, eine Erreichbarkeit der dazwischen liegenden Brachflächen und einen Anknüpfungspunkt an den Bahnhof zu gewährleisten wird eine übergelagerte Verbindungsstruktur geschaffen, die eine direkte Verbindung zwischen Avusplatte und Kleingartenanlage schafft und deren Fußpunkte alle nutzbaren, im Areal befindlichen Gebiete erreicht. An den Hauptbereichen Avus und Kleingärten erhält die Struktur eine bauliche Aufweitung in Form unterschiedlicher Wohnnutzungen.
Sie geben diesen Bereichen eine zusätzliche räumliche Fassung und sind vermittelnde Ankerpunkte im weitläufigen Gebiet. Zusätzlich treppt sich an diesen Stellen die Struktur zur Bodenebene hin ab und ermöglicht den Übergang der auf Bodenniveau befindlichen Nutzungen. Diese werden im Bereich Kleingärten zur öffentlich zugänglichen urbanen Landwirtschaft umgestaltet und im Bereich Avusplatte zu einer Markplatzsituation mit
An- und Zulieferung umfunktioniert. Der Einsatz einer den bestehenden Systemen übergeordnete Verbindungsstruktur stellt sich als einzig wirklich umsetzbare Option im Gebiet dar, da ein Einfügen eines Fußgängernetzes in die bestehenden Autobahn- und Bahntrassenstrukturen als fast nicht umsetzbar anzusehen sind. Weiterhin eröffnet diese Option neben der Vernetzung des Areals auch das Potenzial, diese Verbindung als
Freiraumgerüst und somit Entlastungszone für das gesamte Gebiet umzusetzen.
Architektonisches Konzept: Durch das Stapeln von verschieden Tragsystemen wird gewährleistet, dass die Struktur den komplexen Nutzungsanforderungen gerecht wird. Die sich zum Bodenniveau abtreppende Stützen-Platten Konstruktion schafft maximale Flexibilität. Sie dient der Aktivierung der Bodenebene, der vertikalen Verbindung und ist
durch ihre Porosität Anknüpfungspunkt für die Öffentlichkeit. Immer wieder können Cluster-Systeme sich zwischen den Ebenen ansiedeln und so gewährleisten, dass eine große Variation an materiellen, wie auch immateriellen Arbeiten stattfinden kann. Von Co-Working Bereichen mit gemeinschaftlich genutzten Räumen bis hin zu offenen Strukturen für größere Firmen mit Bedarf an Präsentationsflächen ist die Abtreppung
bespielbar.Die Pufferzone zwischen den Bereichen der Arbeit und Öffentlichkeit ist das bindende Element. Dort stößt das das Gesamtgebilde verbindende Freiraumgerüst mit seinem gerichteten Fachwerk hinein. Hier sind auch gemeinschaftliche, sowie kommerzielle Nutzungen vorgesehen, welche das bindende Element zwischen den Anwohnern und der städtischen Öffentlichkeit darstellen. Das darauf ruhende Wohnen
strukturiert sich über ein Raumtragwerk. Beim Wohnen am Marktplatz zonieren Gemeinschaftsräume die Wohnstruktur und bilden gemeinschaftliche
Prozesse über die Stockwerke hinaus. Erschlossen über einen Laubengang haben die meist
zweigeschossigen Wohnungen Zugang zum Zwischengeschoss, welches wiederum neue
nachbarschaftliche Beziehungen schafft. Unterschiedliche Wohnungstypen sollen für eine Durchmischung der Bewohner sorgen, und somit auf die kontemporären demographischen Entwicklungen reagieren. Durch beidseitige Belichtung ist eine hohe Wohnqualität bei jeder Wohnung gewährleistet und ermöglicht in Verbindung mit dem Split-Level Typ der Wohnungen eine hohe Anzahl an Bespielungsmöglichkeiten. Diese Systematik adaptiert sich an den verschieden Enden der Struktur. Unterschiedliche Thematiken, wie temporäres Minimalwohnen oder auch eher privateres Wohnen können sich variabel in das System einfügen. Die Grundstruktur schafft dabei eine resiliente Qualität der Räume.